Ich fahre nach Frankfurt. Seit Salzburg bin ich allein im Abteil des Zuges. Nur der Schaffner, der kurz hinter Wien meine Fahrkarte kontrolliert hat, sieht hin und wieder zu Tür herein. Ich bleibe allen,- bis München. Höflich frag mich jemand, ob der Platz gegenüber noch frei sei. Ich nicke dem Frageenden zu, und er schiebt zuerst seinem, kleinen, teuren Lederkoffer, dann sich selbst durch die halb geöffnete Abteiltür. Er ist blond, Miete Vierzig, sichtlich darauf bedacht, einen guten Eindruck zu machen. Er hängt seinen Übergansmantel sorgfältig an den Haken neben dem Fenster. Den Koffer schiebt er bedächtig in die Ablage, mustert prüfend die Sitzbank, wischt mit einem Papiertaschentuch über das Kunststoffpolster. Jetzt, endlich, nimmt er befriedigt Platz. Penibel rückt er noch seinen Krawattenknoten zurecht. Sein Blick bleibt an mir haften. Er sieht mich lange prüfend an. Es scheint, als wolle er sichergehen, dass ich die von ihm hergestellte Ordnung nicht Gefährden werde. Aber da ist noch etwas. Ich merke es ihm deutlich an. Er glaubt, mich zu kennen, kramt in seiner Erinnerung, weiß noch nicht, ob die in einem Winkel seines Gehirns gespeichert Information über mich zu Freundlichkeit oder Abwehr bewegen wird. Also ist er borsichtig und hofft, dass ich ihm helfe, seine Gedächtnislücke zu füllen. Diese Art von Begegnung ist mir nicht neu, seit das Fernsehen mein Konterfei unter die Leute gebracht hat. Soll ich ihm entgegenkommen? Warum eigentlich? Mein Bedürfnis nach einem Gespräch hält sich momentan in Grenzen, also widme ich mich der Zeitunglektüre. Ich überfliege die Schlagenzeilen. Der Termin für die Begegnung Kennedys mit Chruschtschow steht jetzt fest. Die beiden werden sich in wenigen Wochen, am 3. Und 4. Juni 1961, in Wien treffen. Mein gegenüber starrt mich unentwegt neugierig an. Das ärgert mich, und ich kann mich deshalb nur schlecht auf den Text konzentrieren. Ich höre auf zu lesen. Der andere scheint nur darauf gewartet zu haben. Jetzteröffnet das Gespräch. „Kennen wir uns nicht?“ „Nicht dass ich wüsste!“ „Nun ich bin mir nicht sicher, ob wir uns persönlich begegnet sind, aber Sie kommen mir so bekannt vor.“ „Schon möglich“, erwidere ich lakonisch. Ich habe kein Interesse daran, ihm den Einstieg in ein Gespräch zu erleichtern. „Jetzt weiß ich es. Aus dem Fernsehen kenne ich Sie. Kann das sein?“ „Möglich!“ „Darf ich fragen, wer Sie sind? Mir fällt Ihr Name einfach nicht an.“ „Simon Wiesenthal“, sage ich. | =1 1 Seit Salzburg bin ich allein im Abteil des Zuges. | Other Guter Anfang | | |
sichtlich darauf bedacht | Well-written | No responses | |
-1 1 Er glaubt, mich zu kennen, kramt in seiner Erinnerung, weiß noch nicht, ob die in einem Winkel seines Gehirns gespeichert Information über mich zu Freundlichkeit oder Abwehr bewegen wird. | Good challenge | | |
zu Tür | Writing errors I suppose it's a typo, it should be "zur Tür" | No responses | |
allen | Writing errors | No responses | |
Frageenden | Writing errors | No responses | |
seinem | Writing errors | No responses | |
| Writing errors Fehler : Miete Vierzig > Mitte Vierzig | | |
Übergansmantel | Writing errors | No responses | |
| Writing errors muesste kleingeschrieben werden | | |
gespeichert | Writing errors gespeicherte | No responses | |
borsichtig | Writing errors | No responses | |
Schlagenzeilen | Writing errors | No responses | |
+1 1 gegenüber | Writing errors | | |
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